Interview mit Frau Dr. Knirsch, Geschäftsführerin des Vereins Kindermitte

14.11.2016

In der ver­gan­ge­nen Woche hatte das Rea­Capital-Team Frau Dr. Sarah Knir­sch zu Besuch, um mit ihr über ihre Erfah­run­gen als Bera­te­rin in der Kin­der­ta­ges­be­treu­ung zu spre­chen.

  F: Auf Rea­Capital wird momen­tan Deutsch­lands ers­tes Crowd­fun­ding für ein Kita-Pro­jekt ange­bo­ten. Was hal­ten Sie von die­sem neuen Finan­zie­rungs­an­satz für ein Kita­pro­jekt? A: Ich finde an die­ser Finan­zie­rungs­art toll, dass sich die Crowd, also eine große Menge an Men­schen, Gedan­ken um die KiTa aber auch um die gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Auf­ga­ben der Kin­der­ta­ges­be­treu­ung macht.   F: Frau Dr. Knir­sch, Sie sind Geschäfts­füh­re­rin und Grün­dungs­mit­glied des Ver­eins „KINDERMITTE – Bünd­nis für sozia­les Unter­neh­mer­tum und Qua­li­tät in der Kin­der­ta­ges­be­treu­ung e.V.“. Wie ist die­ser Ver­ein ent­stan­den und wel­che Ziele ver­fol­gen Sie damit? A: Meh­rere freie Kita-Trä­ger haben sich vor 5 Jah­ren in einer Gruppe orga­ni­siert um sich u.a. zu The­men wie Per­so­nal und einer gesunde Finanz­struk­tu­ren von KiTas aus­zu­tau­schen. Zen­trale Fra­ge­stel­lun­gen, wel­che dis­ku­tiert  wur­den waren bei­spiels­weise: Wie viel darf ich für die Miete, für Mit­ar­bei­ter und Sons­ti­ges aus­ge­ben, damit ich finan­zi­ell gut auf­ge­stellt bin? Das Kon­zept Kin­der­ta­ges­be­treu­ung als Sozial-Unter­neh­mer anzu­ge­hen ist für man­che noch schwie­rig zu fas­sen. An ers­ter Stelle darf bei KiTas nicht das Geld ver­die­nen ste­hen, aber es ist auch ein wich­ti­ger Fak­tor. Es muss ver­ant­wor­tungs­voll mit Geld umge­gan­gen wer­den und dort ein­ge­setzt wer­den wo es gebraucht wird. Als KiTa-Betrei­ber finan­ziert man keine große Insti­tu­tion oder Sta­tus­sym­bole son­dern setzt das Kapi­tal dort ein, wo es Kin­dern zu Gute kommt. Ein wei­te­res Anlie­gen der Grup­pen­mit­glie­der war es dafür zu sor­gen, dass Kin­der in der Gesell­schaft mehr gese­hen wer­den. Ins­be­son­dere mit dem bun­des­wei­ten KiTa-Aus­bau geht ein­her, dass Kin­der aus dem öffent­li­chen Bild ver­schwin­den. Die Erzie­hung von Kin­dern fin­det in KiTas und im hei­mi­schen Kin­der­zim­mer statt, aber nicht mehr im öffent­li­chen Bild Mit all die­sen Ansprü­chen saßen unsere Grün­dungs­mit­glie­der zusam­men und haben gemerkt, dass es, wenn man gesamt­ge­sell­schaft­lich etwas bewir­ken möchte, nur im Schul­ter­schluss geht. Diese The­men woll­ten wir auch aus der Gruppe raus tra­gen und uns gesell­schaft­lich und poli­ti­sch Gehör ver­schaf­fen. So wurde Kin­der­mitte gegrün­det.   F: Wieso glau­ben Sie, dass es für Eltern so bedeut­sam ist einen guten KiTa-Platz zu erhal­ten? A: Je mehr sich der Schwer­punkt der Kin­der­be­treu­ung aus den Fami­lien weg in die Tages­be­treu­ung bewegt, desto wich­ti­ger ist die Qua­li­tät die­ser Betreu­ung. Bei einer kur­zen Betreu­ungs­zeit, bei­spiels­weise in einem zwei­stün­di­gen Spiel­kreis, kann viel kom­pen­siert wer­den was pas­siert oder nicht pas­siert. Wenn die Kin­der aber acht, zehn oder sogar zwölf Stun­den auch schon im Krip­pe­nal­ter in der KiTa ver­brin­gen, fällt die Betreu­ung dort stär­ker ins Gewicht. Je mehr Zeit die Kin­der in der KiTa ver­brin­gen und je frü­her sie betreut wer­den, desto wich­ti­ger ist ein durch­dach­tes Kon­zept.   F: Gibt es bei Betreu­ungs­kon­zepte, die beson­ders gefragt sind und beson­ders gut bei den Fami­lien ankom­men? A: Alle Kon­zepte bei denen sich Men­schen einen Gedan­ken mehr machen und hin­ter­fra­gen, was Kin­der brau­chen sind gut und sinn­voll. Das wich­tigste ist, dass das Kon­zept zu dem jewei­li­gen Kind und zu den Mit­ar­bei­tern passt. Wenn ich eine Struk­tur und eine Erdung für das Kind erkenne, ist das schon mal ein Indiz für ein gutes Kon­zept.   F:  Trotz eines bereits 2013 in Kraft getre­te­nen Rechts­an­spruchs auf einen Betreu­ungs­platz, erhält lei­der wei­ter­hin nicht jedes Kind einen Platz in einer Kita. Woran liegt das? A:  Der Kita-Aus­bau geht in vie­len Regien nicht schnell genug voran. Viel­leicht erhöht das aktu­elle Urteil des Bun­des­ge­richts­hofs den Druck auf Kom­mu­nen, mehr Plätze zu schaf­fen: Eltern, die kei­nen Kita­platz fin­den, kön­nen ihre ent­gan­ge­nen Ein­künfte ein­kla­gen. Das Gut­schein­sys­tem, wie wir es in Ham­burg vor­fin­den, hat den Markt für kleine und mitt­lere Sozial-Unter­neh­men geöff­net und damit in kur­zer Zeit viele Plätze geschaf­fen plavix pill. Neben der ent­spre­chen­den Finan­zie­rung, wer­den vor allem auch die Räume benö­tigt, in dem das ganze statt­fin­den soll. Einen gro­ßen Vor­teil haben die KiTas, wel­che bei einem Neu­bau von Anfang an die Räum­lich­kei­ten mit­ge­stal­ten kön­nen. Doch gerade bei den Räum­lich­kei­ten liegt das Pro­blem. Wir erle­ben eine Ver­dich­tung in Groß­städ­ten, sprich mehr Men­schen auf weni­ger Wohn­raum. Dem­entspre­chend wer­den mehr Kitas gebraucht, gleich­zei­tig wird aber der Raum, der für Kitas zur Ver­fü­gung steht, immer knap­per. Und hier spielt wie­derum das Geld eine große Rolle. Mie­ten in einer Grö­ßen­ord­nung von 17-18€ sind nicht im Monats­bud­get von Kitas ent­hal­ten, des­halb wird an Stel­len gespart an denen eigent­lich nicht gespart wer­den sollte.   F: Wie könnte man Ihrer Mei­nung nach am bes­ten auf diese Situa­tion ein­ge­hen um dau­er­haft mehr Kita­plätze zu schaf­fen und Fami­lien bes­ser zu unter­stüt­zen? A: Das erste in ein kin­der­freund­li­ches Umfeld. Ich sel­ber suche gerade für Kin­der­mitte eine Büro­flä­che und höre oft einen erleich­ter­ten Unter­ton bei der Frage: „Bei Ihnen sind aber keine Kin­der, rich­tig?“ Wir leben in einer Gesell­schaft, man hält es kaum für mög­lich, in der man­che  Men­schen keine Kin­der in ihrer Nähe haben möch­ten. Trotz­dem möch­ten sie, dass die Betreu­ung irgendwo statt­fin­det, aber bitte nicht bei mir im Haus. Die Ver­mie­ter, die sagen, dass sie gerne einen Platz für Kin­der, in oder nah bei ihrem Immo­bi­li­en­pro­jekt, haben, von denen gibt es zu wenige. Es muss mehr Pro­jekt­ent­wick­ler geben, die Inter­esse haben an einen Kita­be­trei­ber zu ver­mie­ten.   F: Wor­auf gilt es bei der Finan­zie­rung und dem Bau einer KiTa beson­ders zu ach­ten im Ver­gleich zu Woh­nun­gen oder Gewerbe? A: Ich denke es ist sehr wich­tig von Beginn an der Bau­phase an die Kita­be­dürf­nisse zu den­ken. Eine Kita ist nun mal etwas ande­res als eine Büro­flä­che. Es ist wich­tig, dass wir uns von dem Quan­ti­täts­ge­dan­ken ent­fer­nen und mehr auf die Qua­li­tät der ein­zel­nen Kita-Räume ach­ten. Es gibt zu Recht einen Anspruch dar­auf, dass die Kita ein Ort ist an dem sich die Kin­der wohl­füh­len, sie geschützt sind und viel­fäl­tige Mög­lich­kei­ten haben die Welt zu ent­de­cken und genau auf diese Ansprü­che muss von Anfang an geach­tet wer­den.